Das Modell der themenzentrierten Interaktion (TZI) nach Ruth

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Das Modell der themenzentrierten Interaktion (TZI) nach Ruth by Mind Map: Das Modell der themenzentrierten Interaktion (TZI) nach Ruth

1. Ursprung der themenzentrierten Interaktion

1.1. Zur Person Ruth Charlotte Cohn

1.1.1. *1912 Berlin; + 2010 Düsseldorf

1.1.1.1. stammt aus einer wohlhabenden jüdischen Familie

1.1.2. neben C. Rogers einer der einflussreichsten Vertreterinnen der Humanistischen Psychologie

1.1.2.1. Ziel: Psychische Gesundheit, Selbstverwirklichung und -entfaltung

1.1.3. früher Wunsch, Lyrikerin zu werden, studierte aber zunächst in Berlin und Heidelberg , um Journalistin zu werden

1.1.4. 1933 Flucht nach Zürich

1.1.4.1. Studium der Psychologie, Pädagogik, Theologie, Literatur und Philosophie und Ausbildung in der Psychoanalyse

1.1.5. 1941 Emigration in die USA

1.1.5.1. Arbeit als Kinder- und Jugendtherapeutin, später Anerkennung als Psychoanalytikerin

1.2. Wurzeln der TZI

1.2.1. Humanistische Psychologie und Psychoanalyse

1.2.2. biografische und historische Quelle für Cohns pädagogisch-therapeutisches Anliegen

1.2.2.1. menschenverachtende Erlebnisse und Erfahrungen des NS-Regimes prägend und beeinflussend

1.2.2.1.1. Frage Cohns: Wie kommen Menschen zu einem solchen Verhalten?

1.2.2.2. Leitfrage Cohns: Wie muss Menschenbildung aussehen, die Selbstbewusstsein entwickelt sowie Mut und Verantwortung stärken kann, dass Menschen weniger verführbar und unterwerfungsbereit werden, um Machtmissbrauch zu verhindern?

2. Grundlagen der themenzentrierten Interaktion

2.1. Ziel

2.1.1. persönlich bedeutsames Lernen und Arbeiten in Gruppen so zu gestalten, dass ein Höchstmaß an Selbstbewusstsein und Verantwortung möglich wird

2.1.2. humanes Anliegen, dem Gegenüber Raum zu lassen, den eigenen Weg und den eigenen Standpunkt zu finden

2.1.3. Bindet Lernen an die Person der Lernenden und vereint Lebendigkeit, persönliches Wachstum und Bezug zur Gesellschaft

2.2. Dynamische Balance der vier Faktoren als Grundvoraussetzung Zusammenarbeit in Gruppen an einer Aufgabe

2.2.1. ICH

2.2.1.1. autonome Individuum mit seinen subjektiven Erfahrungen, Wünschen, Bedürfnissen...

2.2.1.1.1. Angewiesenheit des autonomen ICHs auf ein WIR

2.2.2. ES

2.2.2.1. Thema, Sache, Aufgabe

2.2.3. WIR

2.2.3.1. Interaktion der Gruppe, Miteinander, Gruppensynamik

2.2.4. GLOBE

2.2.4.1. strukturelle Vorgaben, Rahmenbedingungen

2.2.5. In der Interaktion und Auseinandersetzung mit der gemeinsamen Sache (ES) befasst sich der Einzelne mit einem Teil der Welt (GLOBE)

2.3. ganzheitliches Modell von Leben und Lernen

2.3.1. Ganzheitliche Betrachtungsweise des Menschen und seiner Existenz

2.4. Legitimation/Begründung: fundamentale Axiome

2.4.1. existentiell-anthropologische Axiom

2.4.1.1. Mensch als Psycho-biologische Einheit und Teil des Universums; independent und autonom; Autonomie umso größer, je mehr er sich Interdependenz mit allen und allem bewusst wird

2.4.2. ethisch-soziale Axiom

2.4.2.1. Ehrfurcht vor allem Lebendigen und seinem Wachstum; Respekt vor Wachstum; Humane=wertvoll, Inhumanes=wertbedrohend

2.4.3. pragmatisch-politische Axiom

2.4.3.1. Freie Entscheidung innerhalb bedingender innerer Grenzen; Erweiterung dessen möglich; Entscheidungsfreiheit größer, wenn wir gesund, intelligent, materiell gesichert und geistig gereift sind

2.5. Methodische Prinzipien der Interaktion

2.5.1. Existenzielle Postulate

2.5.1.1. Chairperson-Postulat

2.5.1.2. Störungspostulat

2.6. Interaktionsmethoden

2.6.1. partizipativer Leittungsstil

2.6.2. Lerndreieck

2.6.3. Struktur-Prozess und Vertrauen

2.6.3.1. Struktur des Themas und seiner Bearbeitung, Prozess (der Gruppe; Entwicklung), Vertrauen (sich angenommen fühlen, ehrlich und konstruktiv in der Konfliktbearbeitung, Fehlerkultur, Neues ausprobieren)

2.7. Sog. Hilfsregeln erleichtern wachstumsfördernde zwischenmenschliche Kommunikation

3. Fazit und Ausblick

3.1. TZI als Kompass zur Planung und Analyse pädagogischer schulischer Arbeit

3.1.1. Insbesondere in Systemen wie dem Bildungssystem/Schule, in denen die Sache/der Sachzwang und die kognitive Ebene höchste Priorität haben (ES)

3.2. TZI und die Lehrer*innengesundheit

3.2.1. LK sind weder ohn- noch allmächtig, sondern teilmächtig

3.2.1.1. Bewusstwerdung und Berücksichtigung des GLOBE können be- aber auch entlasten

3.2.1.2. nicht möglich, die Welt zu retten, aber im Kleinen (GLOBE Rahmen) junge Menschen dazu ermutigen und anzuregen, Verantwortung für sich und ihre Umwelt zu übernehmen

3.2.1.3. Als LK und als eigene Chairperson verantwortlich für die eigene (psychische) Gesundheit; Respekt und Wertschätzung ggü. den eigenen Gefühlen, Bedürfnissen und Grenzen

3.2.1.3.1. Gefühle wahrnehmen und als Energiespeicher nutzen

3.2.1.3.2. Vgl. Ziel der humanistischen Psychologie: Verwirklichung, Entfaltung und psychische Gesundheit

3.2.1.3.3. „Werte dich und die anderen, deine Möglichkeiten und Fähigkeiten und die der anderen nicht ab!“ (Cohn)

3.3. Parallelen zur Kompetenzorientierung und zur vollständigen Handlung

3.3.1. Ausgewogenheit von FK, SK und PK

3.3.1.1. Dynamische Balance i.S. der Ausgewogenheit und Gleichwertigkeit von Sachbezug und Beziehungsebene

3.3.2. Reflektieren des Arbeitsprozesses auf allen Ebenen (eigener persönlicher Lernzuwachs, Thema/Inhalt, Gruppenarbeitsprozess)

4. Bedeutung der TZI für den Unterricht

4.1. Bedeutung für die Rolle als Lehrkraft

4.1.1. „Prinzip der selektiven Authentizität“ (Cohn)

4.1.1.1. partizipative Leitung

4.1.1.1.1. Voraussetzung für persönliche lebendige Gestaltung von Lernprozessen in der Gruppe

4.1.1.1.2. S*S zu „Vorsizuenden“/Chairperson machen, Entscheidungs- und Freiraum (innerhalb der Grenzen des GLOBE)

4.1.1.2. „sei authentisch mit deinen Äußerungen, aber sage nicht alles, was du denkst“ (Cohn)

4.1.1.3. Partizipation der S*S in der Planung, Durchführung und Auswertung von Unterricht

4.1.2. Bedeutung einer wertebejahenden Lehrerhaltung

4.1.2.1. TZI versteht sich weniger als Methode, sondern vielmehr als Orientierungsmodell für die (Weiter)Entwicklung einer Haltung/Lehrer*innenpersönlichkeit

4.1.2.2. Vgl. Eisbergmodell

4.1.2.2.1. ICH u. WIR; unsichtbare, un- bzw. vorbewusste psychosoziale Beziehungsebene

4.1.2.2.2. ES Sachebene bzw. -logik; sichtbare Spitze des Eisbergs

4.1.2.3. Wertschätzung und Respekt ggü. S*S in ihrem ganzen Sein

4.1.2.3.1. Kommunikation

4.1.2.3.2. Eigenständigkeit und Verbundenheit respektieren

4.1.2.3.3. angstfreie Fehlerkultur

4.1.2.4. Lehren > Stoffvermittlung

4.1.2.4.1. aktive und positive Gestaltung des L-S*S-Beziehung

4.2. Förderung der Verantwortung und Selbstständigkeit von S*S in Planung, Durchführung und Auswertung von Unterricht

4.2.1. bewusste Wahl der Sozialformen und Methoden, um Kooperationsfähigkeit und Selbstverantwortung sowie Wissen und Können zu fördern

4.2.1.1. Warm-Ups, kleine Gruppendynamische Übungen

4.2.1.1.1. wichtig: Balance aller Faktoren, da sonst Gefahr, das Unterricht zur gruppendynamischen Selbsthilfegruppe verwandelt

4.2.1.2. Aktivierung und Motivierung der S*S

4.2.2. Reflexion des Lernprozesses durch gegenseitiges Feedback (S*S und LK)

4.2.2.1. ICH: Was habe ich persönlich dazu gelernt; was war für mich neu/überraschend/merkwürdig...

4.2.2.2. WIR: Wie haben wir in der Klasse zusammengearbeitet? Was lief gut? Was könnte beim nächsten Mal besser laufen?

4.2.2.3. ES: Was war neu/wichtig? Welche Fragen bzgl. des Themas habe ich noch?

4.3. Umgang mit Störungen anhand sorgfältiger Störungsanalyse

4.3.1. ICH: persönliche Verstörtheit

4.3.1.1. „Störungen und Betroffenheit haben Vorrang, ob wir es wollen oder nicht! Es kommt nur darauf an, wie wir mit ihnen umgehen - darin liegt ein Teil unserer Freiheit.“ (Cohn)

4.3.2. WIR: Krisen in oder mit der Klasse

4.3.3. GLOBE: strukturelle Vorgaben, Einengungen, Überforderung

4.4. i.S. der dynamischen Balance im Unterricht persönliches Wachstum, Kooperationsfähigkeit und Zuwachs an Wissen und Können als gleichwertige Ziele

4.4.1. Auswirkungen auf die Gestaltung und Reflexion von Lern- und Lehrprozessen

4.4.1.1. vier Faktoren der TZI geben Orientierung und ermutigen zur eigenverantwortlichen Entscheidungen

4.4.2. Kompetenzorientierung: Ausgewogenheit von Fach- Selbst- und Sozialkompetenz

4.4.2.1. Gleichwertigkeit von personen-, gruppen- und sachorientiertem Lernen als Werteentscheidung

4.4.3. „Das Verächtlichmachen von Wissen und Denken ist nicht weniger destruktiv als das Herabschauen auf Gefühle und Sensitivität“ (Cohn)

4.4.3.1. Wo der Output bzw. das ES dominiert, gehen wichtige humane Aspekte verloren

4.5. Seit PISA neue Aktualität

4.5.1. Lehrerkompetenzen und Haltungen, die selbstverantwortliches Lernen fördern

4.5.2. Kooperationsformen/Methoden für nachhaltiges Lernen

4.5.3. Einfluss der Schulstruktur (Fächerverteilung, Curricula, Prüfungsinhalte, Zeitstruktur)

4.5.3.1. Kritische Beleuchtung der „Zuvielisation“ in der Schule