Eine in den Medien leider wenig \ndiskutiere Frage ist, welchen Beitrag \ndie Medien selbst zu der Eskalation \nder Finanzkrise und zum \nwirtschaftlichen Abschwung geleistet \nhaben. Eine selbstkritische Reflektion \nder eigenen Berichterstattung zur \nFinanzkrise findet faktisch (eine \nAusnahme bestätigt die Regel) nicht \nstatt. Das ist bedauerlich, weil es \nnämlich Anhaltspunkte gibt, dass die \nBerichterstattung der Medien die \naktuelle Krise noch verstärkt.

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Wirkungsmechanismus Finanzkrise \nund Zukunftserwartungen

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Die Finanzkrise wirkt auf die \nRealwirtschaft, das wissen wir \ninzwischen. Wenig diskutiert wird \nallerdings der \nÜbertragungsmechanismus. Hier \nkönnte man sich mit einer \ntheoretischen Argumentation, wie der \nSachverständigenrat sie vorschlägt, \nbegnügen: Danach geht der \nüblicherweise mit Finanzkrisen \nverbundene Vermögenspreisverfall mit \neiner Einschränkung der Konsum- und \nInvestitionsausgaben einher. Zudem \nsteigt das Ausmaß fundamentaler \nUnsicherheit, mit dem die \nWirtschaftssubjekte konfrontiert \nwerden. Als Reaktion werden \nInvestitions- und Konsumpläne in \neiner Weise angepasst, die zu einer \nzusätzlichen Abschwächung der \ngesamtwirtschaftlichen Nachfrage \nführt.

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Eine zentrale Frage ist aber, wie die \nSteigung des Ausmaßes der \nUnsicherheit erfolgt, in deren Folge \nKonsum- und Investitionspläne \nreduziert werden. Auf die \nKonsumnachfrage wirken nachhaltige \nVermögensreduktionen, wie wir sie \nzurzeit erleben, weil sie das \nVermögen der privaten Haushalte \nverringern und die Unsicherheit bei der \nErwartungsbildung erhöhen. \nAktienmärkte gelten häufig als \nIndikator für die künftige \nwirtschaftliche Entwicklung gilt. \nAufgrund der Unsicherheiten und der \ntatsächlichen Vermögensreduzierung \nverringert sich das Ausgabeverhalten \nder privaten Haushalte bei gleichzeitig \nerhöhter Sparneigung.

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Erwartungen werden durch \nInformationen beeinflusst

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Gleichwohl ist es zu kurz gesprungen, \nwenn man allein die Entwicklung an \nden Kapitalmärkten als Ursache für \ndie erhöhte Unsicherheit in der \nErwartungsbildung verantwortlich \nmacht. Die Veränderung in der \nErwartungsbildung erfolgt auf Ebene \nder einzelnen Wirtschaftssubjekte \ndurch die Aufnahme von \nInformationen. Preisänderungen für \nVermögenswerte (wie z.B. \nAktienkurse) sind dabei nur ein \nParameter. Daneben beeinflussen \nviele andere Informationen die \nErwartungsbildung. Interpretiert ein \nWirtschaftssubjekt bestimmte \nInformationen z.B. so, dass sein \nkünftiges Einkommen niedriger als \nbisher erwartet ausfällt, dann wird er \nmit großer Wahrscheinlichkeit sein \nheutiges Konsum- und \nInvestitionsverhalten überprüfen und \nggf. anpassen.

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Keine perfekte und umfassende \nInformationsverarbeitung möglich

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Die psychologische Forschung hat \ngezeigt, dass das Gehirn zur \nBewältigung komplexer Probleme \nregelmäßig Heuristiken anwendet. Sie \ndienen vor allem dazu, effizient mit \nden begrenzten Ressourcen \numzugehen. Studien und Experimente \nder sozialpsychologischen \nForschungen belegen aber, dass \nMenschen bei der Anwendung von \nHeuristiken immer wieder Fehler und \nTrugschlüsse unterlaufen. So führen \nverkürzende kognitive Prozesse – \nsogenannte Behavioral Biases – zu \nVerzerrungen bei der \nErwartungsbildung. Grundsätzlich \nkann man zwar davon ausgehen, dass \nWirtschaftssubjekte sich rational \nverhaltenen. Es gibt jedoch auch \nhäufig Situationen, in denen \nEntscheidungen unter maßgeblichen \nRestriktionen gefällt werden. Dabei \nkönnen verschiedene Ursachen zu \nsuboptimalen bzw. fehlerhaften \nEntscheidungen führen:

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1. Eingeschränkter \nInformationsstand, da die \nInformationsbeschaffung und -\nverarbeitung Kosten verursacht und \nnicht unbegrenzt Zeit zur Verfügung \nsteht;

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2. die beschränkten kognitiven \nVerarbeitungsfähigkeiten des \nMenschen, aufgrund komplexer \nEntscheidungssituationen,

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3. psychischer Stress, der z.B. \ndurch Zeitdruck oder Verlustangst \nhervorgerufen wird. Aufgrund dessen \nwird das Verhalten auch nicht von \neinem Optimierungsstreben, im Sinne \nder Maximierung einer Zielfunktion, \nsondern von der Suche nach einer \nbefriedigenden Lösung, d.h. dem \nErreichen eines bestimmten \nZufriedenheitsniveaus, gesteuert.

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Alle drei Faktoren spielen auch in den \nInformationsverarbeitungsprozessen \num die Finanzkrise eine wichtige \nRolle. Davon betroffen dürften nicht \nnur private Verbraucher sein, sondern \nauch die Entscheidungsträger in \nUnternehmen.

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Hat die Wirkung negativer \nSchlagzeilen …

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An dieser Stelle wird klar, dass auch \ndie Medien einen erheblichen Einfluss \nauf die Erwartungsbildung einzelner \nWirtschaftssubjekte haben. Die \nMedien liefern mit ihren Nachrichten \neinen wesentlichen Teil des \nInformationsinputs, der am Anfang \ndes \nInformationsverarbeitungsprozesses \nsteht. Da Menschen auf Grund \neingeschränkter Zeit und begrenzten \nkognitiven Fähigkeiten nicht alle \nrelevanten Informationen finden, \nselektieren und verarbeiten können, \norientieren sie sich an diesen \nvorselektierten Nachrichten und häufig \nauch nur an den Schlagzeilen, die \nmeist einen höheren Erinnerungswert \nhaben als die Textinhalte.

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Vor zwei Wochen betrachtete Kerstin \nBund in einem bemerkenswerten \nArtikel in der Zeit, wie über die \nFinanzkrise berichtet wird:

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“Zeitungen und Zeitschriften schrieben \nvon einem »weltwirtschaftlichen \nArmageddon« (Weltwoche), einer \n»Apokalypse« (Börsen-Zeitung) oder \neiner »finanzpolitischen \nKernschmelze« (ZEIT). Ein \nKommentator der Süddeutschen \nZeitung beschwor das »Fegefeuer des \nKapitalismus«. Mal glitten die Autoren \nin die Sprache der Physik ab und \nsuchten Halt bei einer \nAtombombenexplosion. Wenn das \nnicht reichte, bemühten sie die \nMetaphysik, beschworen biblischen \nEndzeithorror und christliche Hölle.”

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In dem Artikel zitiert sie den \nKommunikationsforscher Frank \nBrettschneider: “Wenn das alles ohne \nWirkung auf die Leser bliebe, wäre es \nhalb so schlimm. »Aber Medien \nselektieren, sie interpretieren, sie \nemotionalisieren, und sie schaffen \nFakten«, sagt Frank Brettschneider, \nKommunikationsforscher an der \nUniversität Hohenheim. Die \nBerichterstatter beeinflussen \ndemnach massiv, wie die Menschen \nauf große Ereignisse, etwa einen \nBankenzusammenbruch, reagieren.

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… den Abschwung beschleunigt?

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Schließlich stellt Bund die zentrale \nFrage: “Haben die Medien erst die \nZockerei und dann den Absturz \nbeschleunigt?” Medienwissenschaftler \nThomas Schuster ist der \nÜberzeugung, die Medien hätten den \nInternetboom und den anschließenden \nCrash der New Economy verstärkt.

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Auch beim aktuellen Abschwung \ndürften die Medien eine tragende Rolle \nals Katalysator gespielt haben. Sie \nhaben mögliche Auswirkungen \ndramatisiert (siehe Beispiel \nKreditkartenrisiken: Mehr Luftblase \nals Monsterwelle) und Informationen, \ndie die Unsicherheit reduzieren \nkönnten kaum hervorgehoben.

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So musste man sich die Information, \ndass der Sachverständigenrat eine \nWeltwirtschaftskrise ausschließt erst \nmühsam aus dem dicken Gutachten \nherausarbeiten. In den Schlagzeilen \ntauchte diese Information nicht auf. \nÜber die durchaus positive \nEntwicklung der Börsen in der \nvergangenen Woche fanden sich \nvorwiegend nur Berichte in den Kurs- \nund Wirtschaftsteilen, während die \nKursstürze der vergangenen Wochen \nes häufig auch auf die Titelseiten der \nZeitungen schafften.

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Bad news are good news for media

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Der Grund ist klar: Medien folgen ihrer \neigenen Ökonomie, nämlich der, dass \nsich schlechte Nachrichten besser \nverkaufen als gute Nachrichten. \nSchlechte Nachrichten erzeugen \nÄngste. Weil Ängste oft aus \nUnwissenheit über die \nZusammenhänge von Abläufen und \nVorgängen entstehen, kann die \nVermittlung von Wissen und \nInformation Angst reduzieren oder \nkomplett nehmen. Über diesen \nMechanismus erzeugen Ängste einen \nhöheren Informationsbedarf und damit \nhöhere Umsätze bei den \nMedienproduzenten.

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Natürlich wäre es naiv zu behaupten, \ndie Medien würden nur einseitig \nberichten, um ihre Erlöse zu \nmaximieren. Eine solche Sichtweise \nwürde die komplexen \nEntscheidungsprozesse in \nRedaktionen nur unzureichend \nabbilden. Tatsächlich dürfte die \naktuelle Nachrichtenlage außerdem \nwenig positive Meldungen aus der \nWirtschaft hergeben.

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Fazit

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Dennoch, die hier genannten Punkte \nkönnen als Indizien dafür gesehen \nwerden, dass Medien einen Beitrag \nleisten zur Erhöhung der Unsicherheit \nin der Erwartungsbildung. Stimmt man \ndem zu, dann muss man auch der \nThese zustimmen, dass Medien die \nFinanzkrise und den \nWirtschaftsabschwung \nbeschleunigen. Damit ist nicht \ngesagt, dass sie unverantwortlich bei \nder Informationsauswahl und – \naufbereitung handeln. Erst recht wäre \nes nicht angemessen, sie als \nVerursacher für den Abschwung \ndarzustellen.

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Aber die derzeitige Krise ist vor allem \neine Vertrauenskrise, die erhebliche \nUnsicherheiten hinsichtlich der \nZukunftserwartungen von \nUnternehmen und Menschen und \nerzeugt. Medien können hier Beiträge \nleisten, die Unsicherheiten zu \nreduzieren und aufzuklären, in dem \nz.B. mehr Fachinformationen \ntransportiert werden und nicht jeder \nKreditausfall zur Kernschmelze \nhochstilisiert wird.

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Mindset der Finanzkrise 2007 - 2009 by www.blicklog.com Status: 3.09.2011