Das aktuelle Gutachten des Sachverständigenrats zur Begutachtung der \ngesamtwirtschaftlichen Entwicklung liest sich wie ein gut verständliches \nLehrbuch über die aktuelle Finanz- und Wirtschaftskrise. So lernen wir \nauch ausführlich etwas über die Mechanismen, wie die Finanzkrise auf \ndie Realwirtschaft wirkt (S. 25 ff.):

\n

Verschlechterung der Finanzierungsbedingungen und \nUnsicherheit sorgen für Anpassung

\n

Finanzkrisen wirken sich auf vielfältige Weise auf realwirtschaftliche \nGrößen aus. Der zentrale Transmissionskanal besteht hierbei in einer \nVerschlechterung der Finanzierungsbedingungen, die sich \nausgehend vom Finanzsystem auf Unternehmen, Haushalte und in \nExtremfällen auf staatliche Einheiten ausweitet. Des Weiteren geht der \nüblicherweise mit Finanzkrisen verbundene Vermögenspreisverfall mit \neiner Einschränkung der Konsum- und Investitionsausgaben einher. \nZudem steigt das Ausmaß fundamentaler Unsicherheit, mit dem die \nWirtschaftssubjekte konfrontiert werden. Als Reaktion werden \nInvestitions- und Konsumpläne in einer Weise angepasst, die zu \neiner zusätzlichen Abschwächung der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage \nführt. Die Schrumpfung derjenigen Sektoren, die im Vorfeld der Krise \nbesonders stark von den allokativen Verzerrungen der Finanzkrisen \nüblicherweise vorausgehenden Vermögenspreisblasen gewonnen hatten, \nwirkt weiterhin konjunkturhemmend. Im Kontext der aktuellen Krise ist \ndavon auszugehen, dass die Kontraktion des Finanzsektors und des \nBereichs Bau- und Wohnungswirtschaft besonders ausgeprägt ausfallen \nwird. Schließlich ist zu betonen, dass die der Krise meist folgende \nrealwirtschaftliche Schwächephase Rückwirkungen auf das \nFinanzsystem selbst zeitigt, die sich dann in einem weiteren Anstieg \nproblembehafteter Kredite und Wertpapiere, in erneuten Abschreibungen \nund in verschlechterten Ertragsaussichten bemerkbar machen.

\n

Am Anfang stehen Abschreibungen im Finanzsektor

\n

Die Mechanismen, die der durch Finanzkrisen bedingten \nVerschlechterung der Finanzierungsbedingungen für den realen Sektor \nzugrunde liegen, können vereinfacht wie folgt beschrieben werden: Am \nAnfang stehen Wertberichtigungen bei Finanzinstitutionen, die zu \neiner Reduktion ihres Eigenkapitals führen. Im aktuellen Fall \nkonzentrieren sich diese zunächst auf diejenigen Finanzprodukte, die \neine hohe Bindung an Immobilienpreisentwicklungen aufweisen. Mit \nzunehmender Krisendauer steigt jedoch das Ausmaß der Belastungen, da \nneben Problemen bei hypotheken besicherten Wertpapieren Verluste bei \nweiteren Aktiva treten, beispielsweise als Folge von Solvenzproblemen \nanderer Finanzinstitutionen. Da die hierdurch bedingte Reduktion des \nEigenkapitals das Ausmaß der Kreditverknappung wesentlich \nmitbestimmt, hängt die Intensität der durch die Krise ausgelösten Effekte \nstark von der Höhe dieser Verluste ab. Diesbezügliche
\nSchätzwerte gehen weit auseinander und haben sich in den letzten \nMonaten stark erhöht. So geht die Bank of England inzwischen davon \naus, dass sich die Gesamtverluste aus der Krise auf 2,8 Bio US-Dollar \nbelaufen werden (Bank of England, 2008).

\n

Verstärkungsmechanismus Bilanzregeln

\n

Ein seit Beginn der Krise wichtiger Verstärkungsmechanismus, der die \nVerlustschätzungen beträchtlichen Unsicherheiten unterwirft, besteht in \nder in den letzten Jahren stark gewachsenen Bedeutung derjenigen \nBilanzierungsregeln, die die Bewertung von Finanzinstrumenten \nzu aktuellen Marktpreisen vorschreiben. Wenn diese Marktpreise \naufgrund von Panikverkäufen unter die Werte sinken, die bei einer \nBewertung anhand zukünftig erwarteter Zahlungen gerechtfertigt wären, \nkommt es zu selbstverstärkenden Effekten. Gleichzeitig werden \nÜberschätzungen der oft auf aktuellen Marktpreisen beruhenden \nSchätzungen der Gesamtverluste wahrscheinlicher.

\n

Probleme für Finanzinstitute, neue Kapitalgeber zu finden …

\n

Im Verlauf der Krise wurde es für Finanzinstitute zunehmend schwierig, \nandere Akteure, wie beispielsweise Staatsfonds, als Kapitalgeber zu \ngewinnen. Kann die durch Verlustabschreibungen ausgelöste Reduktion \ndes Eigenkapitals nicht über den Kapitalmarkt ausgeglichen werden, \nmüssen die Finanzinstitutionen ihre Eigenkapitalquoten auf andere Weise \nauf das Niveau zurückführen, das gemäß der Einschätzung anderer \nFinanzmarktakteure – einschließlich der Regulierungsinstanzen – mit \neiner dauerhaften Weiterführung der Geschäftstätigkeit bei \nangemessenem Risiko konsistent ist. Hierzu können beispielsweise \nriskante durch weniger riskante Aktiva ersetzt oder das Ausmaß \nbestehender Forderungen und Verbindlichkeiten kann reduziert werden. \nAls Folge der notwendigen Bilanzkorrekturen sinkt die Fähigkeit und \nBereitschaft des Finanzsystems, die Realwirtschaft mit Krediten zu \nversorgen.

\n

… führt zur Kreditverknappung

\n

Bei der Einschätzung der Stärke dieses Effekts ist zu berücksichtigen, \ndass die Größenordnung der
\nKreditverknappung den Rückgang der Eigenkapitalausstattung \noft um ein Vielfaches übersteigt. Beispielsweise ergeben \nModellrechnungen für die Vereinigten Staaten, dass aggregierte \nVerlustabschreibungen bei Finanzinstitutionen mit hohem \nVerschuldungsgrad (leverage) in Höhe von 100 Mrd US-Dollar zu einer \nKontraktion der Summe der von Finanzinstitutionen gehaltenen Aktiva \num bis zu rund 1 Bio US-Dollar führen könnten, unter der Annahme, dass \n50 vH der vorangegangenen Verluste durch neues Eigenkapital ersetzt \nwerden und der Finanzsektor insgesamt seinen Verschuldungsgrad um 5 \nvH reduziert. Wird herausgerechnet, dass ein beträchtlicher Teil der \nReduktion der Aktiva innerhalb des Finanzsektors selbst vonstatten geht, \nbleibt es im Fall der Vereinigten Staaten bei einer Kreditverknappung für \ndie Realwirtschaft, die die ursprünglichen Verluste um den Faktor vier \nübersteigt.

\n

Ein wichtiger Indikator für die zu erwartende Stärke der \nKreditverknappung kann aus Umfragen ermittelt werden. Es zeigt sich, \ndass die seit Beginn der Krise eingetretene Verschärfung der \nKreditvergabebedingungen ein globales Phänomen ist, das allerdings in \nbestimmten Regionen und für bestimmte Sektoren besonders markant \nausfällt.

\n

Kreditverknappung verlangsamt Konsum und \nInvestitionsausgaben und …

\n

\n

\n

Umfrageergebnisse zu den Kreditvergabestandards

\n

Aus der Reduktion der Kreditvergabe resultiert in der Folge eine \nVerlangsamung oder Kontraktion der Konsum- und \nInvestitionsausgaben, die sich wiederum negativ auf \ngesamtwirtschaftliche Einkommensgrößen auswirkt. Die \nentsprechenden Effekte sind umso ausgeprägter, je größer die Bedeutung \nkreditfinanzierter Ausgaben ist. In Volkswirtschaften, in denen der \nVerschuldungsgrad der Unternehmen und Haushalte \nüberdurchschnittlich hoch ist, muss deshalb mit besonders starken \nkonjunkturellen Einbußen gerechnet werden.

\n

… führt zu sich selbstverstärkenden Effekten

\n

Die Prognose der entsprechenden Auswirkungen wird durch sich \nselbstverstärkende Effekte deutlich erschwert. Sinkt beispielsweise \ndie Verfügbarkeit von Hypothekarkrediten, kommt es zu einem stärkeren \nVerfall der Hauspreise, da neu auf den Markt kommende Objekte keinen \nKäufer finden. Hieraus folgen einerseits negative Vermögenseffekte, die \nden Konsum weiter schwächen. Andererseits steigt bei fallenden \nHauspreisen der Anteil der Haushalte, deren Nettoimmobilienvermögen \nnegativ wird. Da eine Nicht-Begleichung der Hypothekenschulden mit \neinem Vermögensgewinn einhergeht, entscheiden sich Haushalte \nvermehrt zu einer Einstellung ihrer Zahlungen. Dies führt wiederum zu \nerhöhten Verlustabschreibungen. Weiter fallende Preise für Wohn- und \nGeschäftsimmobilien, eine Verschlechterung der Kreditqualität in \nBranchen außerhalb des Immobiliensektors sowie ein Mangel an \nErtragsquellen für Finanzinstitutionen sind die Folge. Das tendenziell \nunterkapitalisierte Bankensystem wird deshalb auf absehbare Zeit in \neinem schwierigen Umfeld agieren.

\n

Weltweite Wirkungen …

\n

Die Auswirkungen der beschriebenen Wirkungsketten machten sich \nzunächst vor allem in den Vereinigten Staaten bemerkbar und dort auf \nbreiter Basis. Die Einschränkung der Kreditvergabe betrifft hier \ninzwischen Konsumenten und in verstärktem Maß Unternehmen. Selbst \neinige Gebietskörperschaften verloren zwischenzeitlich weitgehend ihren \nZugang zum Kapitalmarkt.

\n

In anderen Industrienationen, einschließlich einigen Ländern Europas, ist \ninzwischen ebenfalls eine deutliche Verschlechterung der \nFinanzierungsbedingungen zu spüren. Wie in den Vereinigten Staaten \nschlägt sich diese insbesondere in merklich erhöhten Risikoaufschlägen \nnieder. Unternehmen, die sich kurzfristiger Geldmarktpapiere \n(Commercial Papers) bedienten, um Liquiditätsengpässe aufzufangen, \nwaren hiervon ebenso betroffen.

\n

… durch Ansteckungseffekte

\n

Während Ansteckungseffekte der Finanzkrise auf die meisten \nSchwellenländer anfänglich nur sehr begrenzt auftraten, führte die \njüngste Verschärfung zu einem deutlichen Anstieg der Zinsaufschläge, \ndie von staatlichen und privaten Emittenten am Kapitalmarkt \naufzubringen waren. Gleichzeitig kam es zu Einbrüchen an den \nAktienmärkten. Jüngste Studien belegen, dass von solchen \nSchwankungen der Vermögenspreise in Schwellenländern selbst bei \nniedriger Marktkapitalisierung starke realwirtschaftliche Effekte \nhervorgerufen werden können.

\n

Risikoprämien erhöhen Zinsen

\n

Schließlich könnten in der aktuellen Situation realwirtschaftliche Effekte \ndeshalb besonders ausgeprägt ausfallen, weil das für eine lange Zeit am \nstärksten betroffene Marktsegment, Interbankenkredite mit einer \nLaufzeit von drei Monaten, für viele Finanzmarktprodukte als \nReferenzwert dient. Die dort besonders hohen Zinsaufschläge, die als \nwichtigster Indikator für das mangelnde Vertrauen zwischen Banken \ngelten, werden daher auf eine große Anzahl von Kreditformen \nübertragen. Dies führt beispielsweise dazu, dass sich die Verzinsung \nvariabel verzinster Hypothekenkredite mitunter beträchtlich erhöht.

\n

Verunsicherung führt zu Vertrauensverlust und Anpassung der \nKonsum- und Investitonspläne

\n

Ein empirisch nur schwer zu erfassender, aber aufgrund des Ausmaßes \nder aktuellen Krise möglicherweise bedeutsamer Kanal \nrealwirtschaftlicher Krisenfolgen besteht in der Zunahme der \nVerunsicherung bezüglich der zukünftigen Konjunkturentwicklung. \nUmfragen unter Konsumenten und Unternehmen zeigen, dass \ndie Krise an den Finanzmärkten zu einem ausgeprägten \nVertrauensverlust geführt hat. Als Folge kommt es zu Anpassungen \nder Konsum und Investitionspläne, wobei Vorsichtsmotive unter anderem \nzu einem temporären Aufschieben ursprünglich geplanter Ausgaben \nführen.

\n

Empirische Untersuchungen belegen, dass Vertrauensindikatoren \nzum Teil stark auf negative Entwicklungen an den \nFinanzmärkten reagieren. Eine Beziehung zwischen \nVertrauensindikatoren und Konjunkturentwicklung kann ebenfalls \nnachgewiesen werden, obwohl sich regional und im Zeitverlauf stark \nschwankende Effekte ergeben können. Im Kontext der aktuellen Krise ist \nder Einbruch von Vertrauensindikatoren jedoch dermaßen auffällig, dass \nzumindest in einigen besonders von der Krise betroffenen Ländern von \nnachdrücklichen Auswirkungen auszugehen ist.

\n

Blick Log: Wie sich die Finanzkrise auf die Realwirtschaft überträgt

\n

Ausgewählte Auswirkungen der Finanzkrise 2007 - 2009 by www.blicklog.com Status: 3.9.2011