Beschulung von Kindern und Jugendlichen mit erhöhtem Förderbedarf
von lisa neuschmid
1. Bei der Beschulung von Kindern und Jugendlichen mit erhöhtem Förderbedarf muss stets das Kind mit seinen individuellen Voraussetzungen im Sinne der Ressourcenorientierung beachtet werden (vgl. BGBl: 1996/355/0, S. 10). Um Kindern mit Behinderung eine gute und zielführende Beschulung zu ermöglichen, ist es wichtig, eine positive professionelle Beziehung zwischen den Lehrpersonen und den Schüler:innen aufzubauen. Auch die Zusammenarbeit mit den Erziehungsberechtigten der Kinder und medizinischen Fachpersonen sollte intensiv verfolgt werden (vgl. BGBl: 1996/355/0, S. 12).
2. Kinder und Jugendliche mit Behinderung brauchen oft spezielle Hilfsmittel, die sie unterstützen, ihren Alltag zu meistern. Die Schule sollte so gestaltet sein, dass alle Bedürfnisse der Schüler:innen zumindest abgedeckt werden- auf keinen Fall sollten sie durch die Schule erschwert werden (vgl. BGBl: 1996/355/0, S.13f.). Auch die Lehrpersonen, die mit Kindern mit Behinderung arbeiten, sollten eine spezielle, gute Ausbildung erfahren haben, um bestmöglich auf die Bedürfnisse der Schüler:innen eingehen zu können (vgl. BGBl: 1996/355/0, S. 13).
3. Um Kindern mit Behinderung so gut es geht zu helfen und sie bestmöglich zu unterstützen, kann auf die unterschiedlichsten Hilfsmittel für eine gut gelingende Kommunikation zurückgegriffen werden. So ist zum Beispiel die unterstützte Kommunikation oder auch die Hilfe durch Computer zu empfehlen (vgl. BGBl: 1996/355/0, S.14f.).
4. Der Lehrplan ist nicht als verbindliche Anweisung zu verstehen. Vielmehr kann er auf die individuellen Bedürfnisse der Schüler:innen angepasst werden (vgl. BGBl: 1996/355/0, S. 13).
5. Neben den in einem Lehrplan zu erwartenden Inhalten sind im Lehrplan für Kinder mit erhöhtem Förderbedarf auch Inhalte wie "- Lernmotivation und Lernunterstützung - Soziales Lernen - Kreativität - Anregung zu sinnvoller Freizeitgestaltung - Rekreation" enthalten (BGBl: 1996/355/0, S.15). Das heißt, dass der Lehrplan nicht nur Bereiche der Schule und des allgemeinen Lernens abdeckt, sondern auch in das außerschulische Leben der Schüler:innen eintaucht.
6. Wien verspricht, dass es für das benötigte Betreuungsangebot im Rahmen der schulischen Ausbildung für Kinder mit Behinderung aufkommt (vgl. §8 CGW Schule).
7. Der Unterricht von Schüler:innen mit Behinderung und erhöhtem Förderbedarf soll folgende Prämissen einhalten: "- Existentielle Bedürfnisse sichern - Basale Lernprozesse anregen - Lebensfähigkeiten vermitteln - Erfahrungen ermöglichen - Förderung der individuellen Persönlichkeitsentfaltung - Lebensbedeutsamkeit - Ganzheitlichkeit - Multisensorische Erfahrungen - Soziale Erziehung - Selbsttätigkeit - Methodenvielfalt" (BGBl: 1996/355/0, S.19f.).
8. Im Grunde dürfen Schüler:innen bis zu einem Jahr nach der offiziellen Erfüllung der Pflichtschulzeit an einer allgemeinbildenden Pflichtschule verbleiben. Schüler:innen mit einem erhöhtem Förderbedarf dürfen zwei Jahre länger in der Schule bleiben, sofern der Schulerhalter und die Schulbehörde zustimmen (vgl. BGBl 1985/76/0, o.A.).
9. Der Sonderpädagogische Förderbedarf kann einem Kind ausgestellt werden, wenn es dem Unterricht in seiner Stufe nicht mehr folgen kann und es die Inhalte nicht ohne sonderpädagogische Förderung aufnehmen kann. Der SPF wird von der Bildungsdirektion ausgestellt. Die Dauer, die dabei unbedingt zu beachten ist, sind 6 Monate. Das heißt, dass ein Kind über mindestens 6 Monate Schwierigkeiten im Unterricht haben muss, bevor man einen SPF zugesprochen bekommen kann. Wird dieser Bescheid ausgesprochen, sollte gleichzeitig ein neuer Schulstandort für das Kind gewählt werden. Auch eine eventuelle Änderung des Lehrplans wird dabei angedacht. Hat ein Kind einen SPF zugesprochen bekommen und wechselt in die nächst höhere Schule, wird der SPF zurückgezogen. (vgl. §8 BGBl 1985/76/0, o.A.).
10. Problem: Die UN-Behindertenrechtskonvention sieht vor, Schüler:innen mit und ohne Behinderung zusammen zu beschulen. Dafür müssen allerdings zuvor die Rahmenbedingungen geschaffen werden. Um das Versprechen einhalten zu können, müssten an den Regelschulen mehr Kinder mit Behinderung sein und in den Sonderschulen immer weniger Kinder eingeschult werden (vgl. Wrase, 2016, S. 2). Die Beschulung von Kindern mit einer Behinderung in einer eigens dafür vorgesehenen Schule ist Diskrimination und spricht somit gegen die UN-Behindertenrechtskonvention (vgl. Wrase, 2016, S. 3). Im Endeffekt bedeutet das also, dass der Staat dafür sorgen muss, alle Schulen so aus- und umzubauen, dass eine inklusive Beschulung für alle Kinder möglich wird (vgl. Wrase, 2016, S. 4).
11. Neben "herkömmlichen" Schulen, die Kinder mit Behinderung besuchen können, gibt es in Wien die Möglichkeit, weitere Schulen kostenlos zu besuchen, die darauf spezialisiert sind, Kinder mit Behinderung so gut es geht zu fördern. Die Kinder müssen dazu in Wien ihren Hauptwohnsitz haben und die Österreichische Staatsbürgerschaft oder einen anderen Aufenthaltstitel aufweisen können. Vgl. Fonds Soziales Wien, 2020.
12. Prinzipiell ist in Gesetzestexten bezogen auf die Schule festgelegt, dass es in Schulen Angebote für Schüler:innen mit Behinderung gibt. Die Stadt Wien kümmert sich darum, dass Angebote auch wirklich realisiert werden. Vgl. Magistratsabteilung 40: Soziales, Sozial- und Gesundheitsrecht, 2011, S. 13.
13. Für Kinder mit einer Behinderung oder einem ausgestelltem SPF kann es nach der 13. Schulstufe möglich sein, weiterhin die Schule zu besuchen. Dafür muss ein Antrag gestellt werden, in dem auch der Schulerhalter eine Stellungnahme abgibt. Gewisse Punkte müssen dafür erfüllt werden. So wird neben einem ärztlichen Gutachten auch ein Gutachten vom Stadtschulrat notwendig. Mit der Förderung kann der Schulbesuch in einer Schule, die der Fonds Soziales Wien zuvor anerkannt hat, gefördert werden. Vgl. Fonds Soziale Wien, 2012, S. 1 ff.
14. Quellen -BGBl: 1996/355/0: Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung 2631 (1996): 117. Zu finden unter: https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/BgblPdf/1996_355_0/1996_355_0.pdf. Aufgerufen am 15. Jänner 2023. - BGBl: 1985/76/0: Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung 537 (1985): 32. Zu finden unter: https://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer=10009576. Aufgerufen am 15. Jänner 2023. - BGBl: 1962/242: Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung (1962): 61. Zu finden unter: https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/BgblPdf/1962_242_0/1962_242_0.pdf. Zuletzt aufgerufen am 16. Jänner 2023. - Fonds Soziales Wien (2012): Spezifische Förderrichtlinie Schule und Schulverlängerung für Kinder und Jugendliche mit Behinderung. Wien. Zu finden unter: https://phoodle.phwien.ac.at/pluginfile.php/314468/mod_resource/content/1/Spez_FRL_Schule_und_Schulverlaengerung_fuer_Kinder_und_Jugendliche_mit_Behinderung.pdf am 15. Jänner 2023. - Fonds Soziales Wien (2020): Schule. Zu finden unter: https://www.fsw.at/p/schule. Wien. Aufgerufen am 15. Jänner 2023. - Fonds Soziales Wien (2022): Spezifische Förderrichtlinie Schule für Kinder und Jungendliche mit Behinderung. Wien. Zu finden auf: https://www.fsw.at/downloads/foerderwesen_anerkennung/foerderrichtlinien/spezifische/Spez_FRL_Schule.pdf. Aufgerufen am 15. Jänner 2023. - Gesetz zur Förderung der Chancengleichheit von Menschen mit Behinderung in Wien (Chancengleichheitsgesetz Wien CGW), LGBl Nr. 29/2013, (2013): [CELEX-Nrn.: 32003L0109, 32004L0038 und 32004L0083]. Zu finden unter: https://phoodle.phwien.ac.at/pluginfile.php/314464/mod_resource/content/1/JUSLINE%20Gesetze%20-%20Chancengleichheitsgesetz%20Wien%20CGW%20vom%2016-10-2018.pdf . Aufgerufen am 15. Jänner 2023. - Magistratsabteilung 40: Soziales, Sozial- und Gesundheitsrecht (2011): Chancengleichheitsgesetz Wien. Wien. Zu finden unter: https://phoodle.phwien.ac.at/pluginfile.php/314461/mod_resource/content/1/Chancengleichheitsgesetz_LL.pdf. Aufgerufen am 15. Jänner 2023. - Vaughan, Mark (Hrsg.) (2003): Index für Inklusion. Lernen und Teilhabe in der Schule der Vielfalt entwickeln. Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. - Wrase, M. (2016): Auflösung der Förderschulen: Die UN_Behindertenkonvention verlangt die Inklusion von Kindern mit Behinderung an Regelschulen. WZBrief Bildung, Nr. 33, WZB Berlin Social Science Center. Berlin. Zu finden unter: https://www.econstor.eu/bitstream/10419/142218/1/861561686.pdf. Aufgerufen am 16. Jänner 2023.
15. Prinzipiell ist jedes Kind mit Behinderung berechtigt, die Schule bis zum Ende der 13. Schulstufe zu besuchen. Erst danach muss ein spezieller Antrag auf Verlängerung gestellt werden. Vgl. Fonds Soziales Wien, 2022, S. 2.
16. Schüler:innen mit einem erhöhtem Förderbedarf sollen in der Scule auch zu mehr Selbstständigkeit geführt werden, um diese auch im Alltag leben zu können. Auch ein Teil der Erziehung soll immer wieder in den Unterricht fließen und das Leben in einer Gemeinschaft soll erfahrbar und erlebbar gemacht werden (vg. BGBl: 1996/355/0, S.17).
17. Im Chancengleichheitsgesetz ist festgehalten, dass Kinder mit Behinderung bereits vor Schuleintritt ein Recht auf Frühförderung haben (vgl. §7 CGW Frühförderung).
18. Durch das Schulpflichtgesetz ist auch geregelt, unter welchen Umständen Kinder vom herkömmlich verpflichtenden Unterricht fernbleiben dürfen. Wenn Schüler:innen unter einer besonderen Schwere und Ausmaß einer Krankheit leiden, dürfen sie der Schule fernbleiben. Ist dies für eine Zeit, die länger als ein Schulsemester dauert, wahrscheinlich, soll mit den Erziehungsberechtigten an einer Fördermöglichkeit gearbeitet werden (vgl. BGBl:1985/76/0, o.A.).
19. Besucht ein Kind mit Behinderung eine spezialisierte Sonderschule, wird dabei durch das SchOG (Schulorganisationsgesetz) festgehalten, wie viele Schüler:innen jeweils zu einer Klasse zusammengefasst werden. Dabei gibt es keine allgemein-gültige Zahl. So kommt es jeweils zu einer Einschätzung der Schulleiter:innen. Bei dieser Einschätzung werden die Bedürfnisse der Kinder, die anfallende Arbeit und Belastung für die Lehrpersonen und die räumlichen Gegebenheiten begutachtet. (vgl. §27 SchuOG Klassenschülerzahl).
20. Der Index für Inklusion soll Schulen dabei helfen, inklusiver zu werden. Dabei werden verschiedene Inputs in Form einer Materialsammlung gegeben, aus denen Ideen genommen und umgesetzt werden können. Inklusion soll dabei nicht nur das Licht auf Kinder mit Behinderung werfen. Vielmehr ist beim Index für Inklusion die Beschulung aller Kinder gemeint (vgl. Vaughan, 2003, S. 8). Dabei liegt der Abbau von Barrieren im Fokus. Barrieren können hier in Bezug auf das Lernen und die Teilhabe verstanden werden (vgl. Vaughan, S.8). Dabei soll die Leistung gesteigert werden und das Lern- und Lehrumfeld verbessert werden (vgl. Vaughan, 2003, S.8).