1. Definition: Übersetzen bedeutet, die Formulierung einer Interpretation eines Ausschnitts der Wirklichkeit in und um uns durch eine andere, möglichst äquivalente zu ersetzen, wobei sich die beiden Formulierungen verschiedener Sprachen bedienen. (Winter 1961: 68, Übersetzung C. Nord)
2. Übersetzungsmethoden: Geschichte
2.1. Cicero (106-43 v.Chr.) - sich nicht wie ein Ausleger am Wortlaut der Vorlage orientieren, sondern wie ein Redner an seinen Hörern (Wichtigkeit der Wirkung der Übersetzung)
2.2. Hieronymus (348-420) - wörtliche vs. freie Übersetzung - nicht ein Wort durch ein Wort, sondern einen Sinn durch einen Sinn ausdrücken.
2.3. Martin Luther (1483-1546) - verfremdende vs. einbürgernde Übersetzung - einbürgernde Übersetzung auch bei der Bibel - „Denn man muss nicht die Buchstaben in der lateinischen Sprache fragen, wie man Deutsch reden soll, sondern man muss die Mutter im Hause, die Kinder auf den Gassen, den gemeinen Mann auf dem Markt drum fragen, und denselbigen auf das Maul sehen, wie sie reden und darnach dolmetschen…“
2.4. Friedrich Schleiermacher (1768-1834) - verfremdende Übersetzung vs. einbürgernde Übersetzung - „Entweder der Übersetzer lässt den Schriftsteller möglichst in Ruhe, und bewegt den Leser ihm entgegen; oder er lässt den Leser möglichst in Ruhe und bewegt den Schriftsteller ihm entgegen.“ - verfremdende Übersetzung von Texten der Wissenschaft und der Kunst, d.h. der Dichtung und Philosophie. - einbürgernde Übersetzung von Texten des Geschäftslebens
2.5. Eugene Nida (1914-2011) - formal equivalence vs. dynamic equivalence - Formal equivalence focuses attention on the message itself. - the message in the receptor language should match as closely as possible the different elements in the source language [...] In contrast, a translation which attempts to produce a dynamic rather than a formal equivalence is based upon ,the principle of equivalent effect’. […] A translation of dynamic equivalence aims at complete naturalness of expression […].
2.6. Wilhelm von Humboldt (1767-1835) - „Solange nicht die Fremdheit, sondern das Fremde gefühlt wird, hat die Uebersetzung ihre höchsten Zwecke erreicht. (Bedeutung der Sprach- und Kulturerweiterung bei der Übersetzung)
3. Übersetzungswissenschaft: Etablierung der Übersetzungswissenschaft als eigenständige Disziplin in den 60er bis 80er Jahren des 20. Jh.
3.1. Peter Newmark (1916-2011) - semantic vs. communicative translation - “semantic translation focuses on the exact contextual meaning of the original while communicative translation attempts to produce on its readers the original effect.”
3.2. Christiane Nord (geb. 1943) - dokumentarische vs. instrumentelle Übersetzung - Bei dokumentarische Übersetzung wird eine in der Ausgangskultur stattgefundene Kommunikationshandlung dokumentiert, um dem Zieltextrezipienten bestimmte Aspekte dieser vermitteln zu können. Bei instrumentelle Übersetzung wird ein Zieltext produziert, ohne dass die Zieltextrezipienten sich darüber bewusst sein müssen, dass es sich um einen bereits in einer anderen Kommunikationssituation verwendeten Text handelt. Dieser Zieltext soll für die Zieltextrezipienten funktionsgerecht sein, kann also eine andere Funktion haben als der Ausgangstext.
4. Übersetzungseinflußfaktoren: Welche Übersetzungsmethode zu wählen ist, hängt von unterschiedlichen Faktoren ab. Dazu gehören:
4.1. der Texttyp
4.1.1. informative Texten (Beisp.: Sachbuch): Primat des Inhalts
4.1.2. expressive Texte (Beisp.: Gedicht): Primat der Form
4.1.3. appellative Texten (Beisp.: Werbung): Primat der Wirkung
4.2. die Zeit und die Kultur
4.2.1. das Verständnis von Übersetzung wandelt sich im Lauf der Zeit und kann von Kultur zu Kultur Unterschiede aufweisen
4.3. der im Übersetzungsauftrag spezifizierte Übersetzungszweck:
4.3.1. Als Instrument in der Zielkultur, das dort dieselbe oder ggf. eine andere Funktion als in der Ausgangskultur erfüllen soll.
5. Skopostheorie (v.a. Katharina Reiss und Hans J. Vermeer, auch Christiane Nord)
5.1. Bedeutung des Zwecks (Skopos) der Übersetzung
5.2. Verschiebung vom Begriff der hin zum Begriff der Adäquatheit
5.3. Überwindung des Verständnisses vom Übersetzer als Diener zweier Herren: Aufwertung der Übersetzung als professionelle Tätigkeit
6. Übersetzungseinheiten
6.1. Wort
6.1.1. im Bereich der Terminologie Umsatzvolumen = volume di vendita
6.2. Syntagma
6.2.1. im Bereich der Terminologie volume di vendita = Umsatzvolumen
6.2.2. bei phraseologisch gebundenen Ausdrücken blinder Passagier = passeggero clandestino autore di un attentato = Attentäter
6.2.3. bei redensartlichen Ausdrücken ins Gras beißen = andare a ingrassare i cavoli ins Fettnäpfchen treten = fare una gaffe
6.2.4. bei Floskeln nebenbei gesagt = detto tra parentesi alla cortese attenzione di = zu Händen von
6.2.5. bei Formulierungsmustern in bestimmten Textsorten RAMMENTANDO l’importanza storica della fine della divisione del continente europeo e la necessità di creare solide basi per l’edificazione dell’Europa futura = EINGEDENK der historistischen Bedeutung der Überwindung der Teilung des europäischen Kontinents und der Notwendigkeit, feste Grundlagen für die Gestalt des zukünftigen Europas zu schaffen
6.3. Satz
6.3.1. bei Sprichwörtern (Lontan dagli occhi, lontan dal cuore = Aus den Augen, aus dem Sinn)
6.3.2. bei normativ festgelegten Ausdrücken und Formeln Rauchen verboten = Vietato fumare
6.4. Text
6.4.1. als komplexe Sinneinheit
7. Hilfsmittel bzw. Recherchemittel
7.1. Lexikographische Nachschlagewerke
7.1.1. - einsprachige Wörterbücher
7.1.2. - zweisprachige Wörterbücher
7.1.3. - Enzyklopädien (allgemeine und spezielle; mit Bildern, Graphiken, Tabellen, usw.): Definitionen (tertium comparationis), Sachinformationen
7.1.4. - Glossare (einsprachige, zwei- oder mehrsprachige; allgemeine und spezielle): Definitionen oder Äquivalente
7.1.4.1. - Fachglossare Kochen
7.1.4.2. - Terminologiedatenbanken (mehrsprachig): Sprach- und Sachinformationen, Definitionen, Äquivalente
7.2. Texte
7.2.1. - Paralleltexte (Texte der gleichen Textsorte und Thematik): Sprache, insbesondere Wortschatz (Äquivalente) und Kollokationen (Verwendungskontext von Wörtern), Textsortenkonventionen, kulturspezifische Unterschiede und Thematik
7.2.2. - Vergleichs- und Hintergrundtexte (Texte der gleichen Thematik): Sprache und Thematik
7.2.3. - Übersetzungen
7.3. Korpora.Korpora (elektronische Textsammlungen, einsprachig vs. zwei- oder mehrsprachig, Originaltexte und/oder Übersetzungen): Sprache, insbesondere Wortschatz und Kollokationen, ggf. Übersetzungen
7.3.1. - bereits erstellte, frei verfügbare (annotierte) Korpora
7.3.2. - eigens manuell oder semi-automatisch zusammengestellte Korpora
7.3.3. - Web als Korpus (Durchsuchung des Web mit Hilfe von Suchmaschinen)
7.4. Bild-, Audio- und Videodateien Klärung von Begriffen, Veranschaulichung von Gegenständen und Prozessen, Auffinden von Äquivalenten (tertium comparationis), Aufschluss über kulturspezifische Unterschiede
7.5. Suchmaschinen
7.5.1. Mögliche Alternativen: Datenbanken, Kataloge, Verzeichnisse